Mehrbedarf auch für einmaligen besonderen Bedarf für Schulbücher
Auf den ersten Blick erscheint das Urteil des Sozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 11.12.2017 (Az.: L 11 AS 349/17) für den Freistaat Bayern irrelevant zu sein, weil es in diesem Land Lehrmittelfreiheit für alle Schüler gibt. Auf den zweiten Blick gibt es aber zahlreiche Ausnahmen zur Lehrmittelfreiheit auch im Freistaat.
Jobcenter verwies auf Schulbedarfpauschale nach § 28 III SGB II
Die minderjährige Klägerin, die mit Mutter und zwei Geschwistern in Bedarfsgemeinschaft lebt, klagte gegen das Jobcenter, weil es ihr die Anschaffung von Schulbüchern (178,60 €), einem grafikfähigen Taschenrechner für 114,60 €sowie sonstiger Schulmaterialen (z.B. Kopiezkosten) nicht erstatten wollte. Stattdessen verwies das Jobcenter darauf, dass das Kind doch die Hilfe des Schulvereins in Anspruch nehmen sollte. Den Widerspruch der Klägerin wiesen die unbarmherzigen Mitarbeiter des Jobcenters zurück, weil ein Mehrbedarf i.S.d. § 21 VI SGB II nicht bestünde, sondern sich das Schulkind auf die 100 €-Pauschale nach § 28 SGB II beschränken müsse.
Evidente Bedarfsunterdeckung im Regelbedarf bei Position Schulbücher mit 3,15 €!
Vor dem Landessozialgericht war das Schulkind zumindest was die Bücher angeht erfolgreich, weil das Sozialgericht eine evidente Bedarfunterdeckung im Hinblick auf Schulbücher im Regelbedarf feststellte. Für das Jahr 2016 sah der Gesetzgeber für Jugendliche gerade mal 37,80 € jährlich für Schulbücher vor, das sind 3, 15 € im Monat! Für Unterhaltung insgesamt waren es im Jahr 2017 mit 59,28 € nur unwesentlich mehr.
Arme Kinder nicht von Lebenschancen ausschließen
Aus diesem Grund und weil kein laufender Bedarf vorlag, kamen die Sozialrichter zu dem Ergebnis § 21 VI SGB II hier ausnahmsweise analog anwenden zu können. Denn die Versorgung von Kindern mit Schulbüchern gehöre zum existenziellen Bedarf von Kindern und Jugendlichen. Eine Umschichtung bestehender Einsparmöglichkeiten sei im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich und ein Ausschluss von Lebenschancen armer Kinder sei zu vermeiden.
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