Man gründet, man
hat den Kopf voller Ideen, Tatkraft und dann… dann soll man an die
Sozialversicherung denken? An die Rentenversicherung, wo man die besten Jahre doch
vor sich hat? An die Krankenversicherung, wo man vor Energie gerade doch nur so
strotz? An die Arbeitslosenversicherung, wo der To-Do-Listenzettel jeden Tag
prall gefüllt ist? Bitte? Von so einem Thema will ich als Gründer doch nichts
wissen: Das ist langweilig, bürokratisch und ich hab wirklich was Besseres zu
tun!
In diesem
Beitrag will ich für Gründer darstellen, warum es sich sehr wohl lohnt mit
diesem Thema zu beschäftigen und warum Wissenslücken hier den Erfolg des
eigenen Startups gefährden können und wie die hohe Sozialabgabenlast etwas
gedrückt werden kann.
- Liquidität
In Deutschland besteht eine Krankenversicherungspflicht für Jedermann,
auch für Selbständige. Wer aus einem Angestelltenverhältnis heraus ins freie
Unternehmertum wechselt, der steht nicht nur vor der Frage, ob er sich privat
oder gesetzlich krankenversichert, sondern sieht sich nun teils hohen
Beitragsforderungen seiner Krankenkasse ausgesetzt.
Die Wahl, ob man sich privat oder gesetzlich krankenversichert kann auch
Auswirkungen haben auf den krankenversicherungsrechtlichen Status von
Angehörigen. Wechselt der Gründer etwa in die private Krankenversicherung, der
Partner bleibt aber in der gesetzlichen Krankenversicherung werden Kinder in
der Regel* dem Partner zugeordnet, der mehr verdient! Wird die
Selbstständigkeit nur nebenberuflich ausgeübt, kann der Gründer in einer Familienversicherung
der GKV bleiben, wenn er damit nur 455 €** monatlich verdient und maximal 18
Stunden/Woche für sein Startup arbeitet. Überschreitet der Gründer diese Grenze
muss er sich doch wieder selber versichern. Die Versicherungspflicht beginnt mit
dem Ergehens des relevanten Einkommenssteuerbescheids, der diese
Grenzüberschreitung dokumentiert.
Bei
Selbständigen gehen die Krankenkassen nur manchmal von einem Mindesteinkommen
von 1.061,67 € aus. Der aktuelle Beitragssatz liegt ohne Ermäßigung bei 14,6 %.
Für nebenberuflich Selbständige gibt es unter Umständen reduzierte Sätze. Die
Beitragsbemessungshöchstgrenze liegt bei 4.687,50 €, was einen
Krankenkassenbeitrag von maximal 684,30 € ergeben kann. Gerade Gründer, die aus
einem gutbezahlten Angestelltenverhältnis raus in die Selbstständigkeit
wechseln, sehen sich u.U. hohen Krankenversicherungsbeiträgen ausgesetzt. Diese
Beiträge sind zwar nur vorläufig festgesetzt, sie müssen aber erstmal gezahlt
werden. Es empfiehlt sich daher einen Antrag auf Beitragsentlastung zu stellen,
wobei man die zu erwartenden Einkünfte erstmal schätzen kann. Wer zu niedrig
schätzt, wird sich aber später einer Beitragsnachforderung ausgesetzt sehen.
Bei den privaten
Krankenversicherern sind die Tarife oft nicht einkommensabhängig und manchmal
niedriger. Der Nachteil ist, dass der Wechsel zurück in die gesetzliche
Krankenversicherung oft schwierig ist, insbesondere weil private
Krankenversicherungstarife häufig mit zunehmendem Alter steigen. Zudem ist es
viel schwieriger seine Rechte im Streitfall gegen den Versicherer vor Gericht
durchzusetzen, da den privaten Krankenversicherungen häufig lange Vertragswerke
zugrunde liegen über die sich vielfach und lange streiten lässt.
Compliance, also
die Kontrolle der Einhaltung von Regeln, ist eines meiner Lieblingsthemen. Für
Selbständige gibt es zwar eine gelockerte Sozialversicherungspflicht, d.h.
viele Selbständige sind z.B. nicht
rentenversicherungspflichtig, es gibt aber zahlreiche berufsgruppen- und
berufsgruppenunabhänigige Ausnahmen. Wer also seine Rentenversicherungsbeiträge
nicht oder nicht rechtzeitig abführt, der riskiert nicht nur hohe Nachzahlungen
mit Säumniszuschlägen, sondern ggf. ein Bußgeld bis 2.500 € und im schlimmsten
Fall eine Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren bei vorsätzlichem oder grob
fahrlässigem Verhalten. Schuldner kann der Selbständige sein oder auch der
„Arbeitgeber“ im Falle von Scheinselbständigkeit.
Bestimmte
Gründer müssen also spätestens drei Monate nach Aufnahme ihrer selbständigen
Tätigkeit sich bei ihrem zuständigen Rentenversicherer mit allen relevanten
Unterlagen melden. Wer das versäumt, dem droht nach § 320 SGB VI ein Bußgeld
bis zu 2.500 €. Zudem kann die Rentenversicherung beim Gründer eine
Betriebsprüfung durchführen und das Startup damit regelrecht lahmlegen. Diese
Meldepflicht gibt es auch dann, wenn man als Angestellter durch seine
nebenberufliche Selbständigkeit nun mehr verdient als im Hauptberuf oder hier
mehr seiner Zeit verbringt.
- Berufsgruppenabhängige Versicherungspflicht
Bestimmte Selbstständige sind kraft Berufes Pflichtmitglied in der
gesetzlichen Rentenversicherung, wie Künstler, Publizisten oder
Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind. Zu Letzteren
zählen Gründer, die einen zulassungspflichtigem Handwerksberuf nachgehen, also
etwa Informationstechniker Karosserie- und Fahrzeugbauer, KfZ-Mechaniker,
Elektrotechniker, Bäcker, Konditoren, Fleischer, Friseure, Raumausstatter oder
Rolladen- und Sonnenschutztechniker. Geht man dieser Tätigkeit aber als
Gesellschafter über eine in die Handwerksrolle eingetragene
Kapitalgesellschaft, wie etwa einer GmbH oder einer KGaA nach, besteht hingegen
nicht automatisch die Versicherungspflicht. Diese kann aber aus anderen Gründen
entstehen, etwa wenn der alleinige Geschäftsführer nicht der Mehrheitsgesellschafter
ist.
Auch wer sich als Lehrer selbständig macht, der ist in der
Rentenversicherung Pflichtmitglied, wobei der Lehrerbegriff weit ausgelegt
wird, so dass auch Golftrainer, viele Moderatoren, Trainer oder Supervisoren
darunterfallen können.
Wer seine Leistungen im Bereich Kranken- oder Kinderpflege anbietet, der
ist ebenfalls rentenversicherungspflichtig, wenn er überwiegend nach ärztlicher
Anordnung handelt, also etwa Logopäden, Podologen oder Physiotherapeuten. Nicht
darunter fallen Heilpraktiker oder Psychotherapeuten. Wer aus diesem Bereich
aber eine Hilfskraft über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus versichert, der
fällt aus der Versicherungspflicht heraus.
Auch selbständige Hebammen und Entbindungspfleger sind per Gesetz
rentenversicherungspflichtig.
Stellt der Rentenversicherungsträger die Sozialversicherungspflicht fest,
sind vom Selbständigen rückwirkend die Beiträge nachzuentrichten, samt den
Säumniszuschlägen.
- Berufsgruppenunabhängige Versicherungspflicht
Hier spricht man häufig auch von „Scheinselbständigkeit“. In neuerer Zeit
hat eine Entscheidung des Bundessozialgerichts für Aufregung gesorgt, dass auch
selbständige Altenpfleger mit nur einem Auftraggeber unter die
Versicherungspflicht fallen. Über die Frage, ob jemand überhaupt selbständig
ist kann man trefflich streiten. Hier stellen sich dann Fragen, ob man ein
unternehmerisches Risiko trägt, in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden ist
oder von nur einem Auftraggeber extrem wirtschaftlich abhängig. Influencer, die
die Software ihres exklusiven Partners nutzen, könnten darunter fallen;
privilegiert dagegen sind Angehörige freier Berufe, wie Psychologen, Ärzte,
Architekten oder Rechtsanwälte.
Stellt der Rentenversicherungsträger die Beitragspflicht als Angestellter
dann fest, wird er den kompletten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil vom
„Arbeitgeber“ verlangen. Bei einer Vielzahl von Scheinselbständigen, oftmals
bei eingesetzten Honorarkräften z.B. an Privatschulen, wird häufig ein
Summenbeschied ergehen, mit einer kalkulierten Pauschalsumme. Dieses Geld kommt
aber nicht dem Scheinselbständigen zugute, sondern landet im allgemeinen
Rententopf.
Wer mehrere
rentenversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübt, bei dem kann eine
Mehrfachversicherung entstehen.
In den ersten
drei Jahren nach der Gründung kann man sich auf die Sozialklausel der
Rentenversicherung berufen und muss dann nur den halben Regelbeitrag von
aktuell 296,21 € (2020) zahlen. Das darf
man auch bei einer zweiten Gründung nochmal, wenn die Erste danebengeht. Die
monatlichen Beiträge sind spätestens bis zum drittletzten Bankarbeitstag des
relevanten Monats zu zahlen.
– Sich freiwillig
bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern kann Sinn machen, weil
man dann nach fünf Beitragsjahren u.U. einen Anspruch auf eine
Erwerbsunfähigkeitsrente hat oder die Angehörigen nach dem eigenen Tod Anspruch
auf eine Hinterbliebenenrente. Wer später im Alter auf die Grundsicherung
angewiesen ist, der profitiert seit 2018 auch mehr von der freiwilligen
Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil Einkommen daraus
weniger stark angerechnet wird. Diesen Antrag auf freiwillige Versicherung muss
man allerdings bis spätestens fünf Jahre nach Beginn der selbständigen
Tätigkeit stellen; wenn man den vollen Erwerbsminderungsschutz haben will,
sogar nach nur zwei Jahren. Klar gibt es auch private Konkurrenzangebote zu den
staatlichen Versicherungsprodukten, die haben aber auch ihre Nachteile.
– Innerhalb von
drei Monaten nach Beginn der Gründung können Sie auch einen Antrag auf eine
freiwillige Arbeitslosenversicherung stellen, wenn sie innerhalb der letzten 2
½ Jahre mindestens zwölf Beitragsmonate bei der DRV hatten.
– Der Abschluss
der gesetzlichen Unfallversicherung sollte unbedingt geprüft werden, wenn Sie
einen Beruf ausüben, der mit der Gefahr verbunden ist, einen Unfall zu
erleiden. Einige Gründer sind übrigens bereits kraft Gesetzes oder durch die
Satzung der Berufsgenossenschaft***, der sie angehören, in der gesetzlichen Unfallversicherung
pflichtversichert, wie etwa manche Existenzgründer im Gesundheitsbereich, z.B.
Logopäden oder Physiotherapeuten als Unternehmer in Heil- und Pflegeberufen,
aber auch Friseure und Landwirte. Eine freiwillige Versicherung ist auch hier
möglich.
Weil Unfälle im
privaten Bereich hier ausgeklammert sind, ist der Abschluss einer zusätzlichen
Unfallversicherung für die Freizeit, ob privat oder als Zusatzangebot der
gesetzlichen Unfallversicherungsträger, durchaus sinnvoll. Sich rein privat
Unfall zu versichern ist möglich, aber man muss aufpassen das Klauseln*
im Vertragswerk stehen können, die einem den Versicherungsschutz im Ernstfall
nehmen.
Dieser Beitrag ersetzt keine Beratung im Einzelfall und dient nur Ihrer groben Information. Für Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen wird daher nicht gehaftet.
Mehr Infos hier: www.kanzlei-sozialrecht.bayern oder https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/sozialrecht/
* Ausnahme der der mehr verdient liegt damit
unter der Jahresentgeltgrenze von 62.550 € (2020)
** bei Künstlern und Publizisten liegt die Grenze nur bei 325 €
*** Gemeint sind Klauseln, wie die
Alkoholklausel, die bei jedem Alkoholkonsum zur Leistungsablehnung führt, die
Eigenbewewegungsklausel, die Unfälle aufgrund falscher eigener Bewegungsabläufe
ausschließt oder bestimmte Altersbeschränkungen
**** Etwa nach § 43 der Satzung der
Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewebe ist die gesetzliche
Unfallversicherung für einige Unternehmer, insbesondere aus dem Bereich Fleischbe-
und -verarbeitende Betriebe verpflichtend